Belletristik

Kathrin Aehnlich: Wie Frau Krause die DDR erfand

Frau Isabella Krause ist Schauspielerin, oder besser Kleindarstellerin, nicht zuletzt wegen ihrer Körpergröße 1,50 m verschwindet sie in dienenden Rollen. Sie wurde in der DDR in einem Lottoladen am 7.10 geboren, da es bis zum Krankenhaus nicht mehr reichte und die meisten Einsatzwagen zur Demonstration waren. Als sie sich bei einem Casting bewirbt, bekommt sie zwar die Rolle nicht, aber ihr werden 6000 Euro angeboten, wenn sie 10 Ostdeutsche auftreiben kann, die aus ihrem Leben erzählen. Isabella schwant, dass beim Lotto nicht ihre Glückszahlen gefallen sind… Denn „Das Gedächtnis war ein Kaufmannsladen, in dem Erinnerungen feilgeboten wurden. Einige gab es umsonst, andere waren bereits nach kurzem Nachdenken zu haben. Aber es gab auch Dosen und Schachteln, die sich nur mit Mühe öffnen ließen, und Schubladen, die hartnäckig klemmten. Das waren jene Erinnerungen, nach denen man lange anstehen musste, bis man sie endlich bekam.“ Isabella fährt also in ihr Heimatdorf, aber die Zeit dort ist nur scheinbar stehen geblieben. Man hat die alten Möbel sofort nach der Wende durch die neuen ersetzt, aber die Menschen sind älter geworden. Zu alt um sie vor der Kamera zu zeigen und über ein Land sprechen zu lassen, das untergegangen ist. Da hat Isabella Krause den rettenden Einfall: Sie bringt ihrem Schauspieler-Kollegen sächsisch bei und erfindet die DDR.

Wenn man das Buch liest, denkt man unweigerlich, warum hat Isabella diese Idee nicht schon früher gehabt? Das letzte Kapitel mit seiner Versöhnung und mit der überraschenden Wende des Herrn Fuchs ist bei weitem das stärkste. Die Kapitel davor scheinen mehr von Erinnerungen an die DDR geprägt zu sein als von Handlung. Erinnerungen gibt es aber reichlich. Einige sind klischeehaft wie die Krippenerzieherin alle Kinder gleichzeitig aufs Töpfchen setzte, andere tauchen beim Lesen wieder auf, wie die an die Lottoziehung der DDR und den Satz: „Das war ein Durchläufer, Herr Rohr!“. Auch als Frau Krause ihrem Kollegen sächsisch beibringt, ist man versucht, den Tonfall beim Lesen nachzunahmen. Aber das sind genau die Stellen, wo Kathrin Aehnlich mehr von Handlung profitiert hätte, als von den Beschreibungen des Tonfalls. Das Sächsische hört aber da auf, wo Karl über die Unfälle im Stahlwerk Minkewitz spricht, die den Häftlingen passiert sind. Wie Kathrin Aehnlich das in ihr DDR-Bild einbaut, ist großes Kino.

Alles in allem ist dem Verlag Antje Kunstmann mit 178 Seiten ein Buch gelungen, das die DDR zumindest nicht sang- und klanglos untergehen lässt und das ein bisschen darüber spekuliert, warum das System so lange überlebt hat. Das Buch ist für 18,- Euro oder als Kindle-Version für 14,99 Euro erhältlich.

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