Kate & Jol Tempel, Terri Rose Baynton: Kein Platz für uns
Wenn ich einen Preis vergeben könnte für das beste Bilderbuch der letzten 10 Jahre, so würde ich ohne zu zögern das neue Buch (Januar 2019) aus dem Annette Betz Verlag vorschlagen „(K)ein Platz für uns“. Ich bin bereits durch die vom Verlag vorab verteilte kurze Leseprobe auf den Titel aufmerksam geworden. Unter dem Motto: „Jede Geschichte hat zwei Seiten“ hat das Autoren- und Illustratorenteam Temple und Baynton zunächst mal eine geniale Denkleistung vollbracht: Eine Geschichte zu entwickeln, die sich sowohl von hinten nach vorn wie auch umgekehrt lesen lässt.
Eine Robbe mit ihrem Kind will zu einem Riff schwimmen, wird aber von den dortigen Robben abgewiesen, weil es nicht genügend Platz gäbe. Die Bilder zeigen, wie lächerlich das ist. In wenigen, kindgerechten Dialogen hören sie „Los! Haut ab!“ oder „Das hier ist unser Platz.“ Kindern lässt sich durch diese Geschichte gut vor Augen führen, wie leichtfertig sie andere aus Spielen oft ausgrenzen.
Viel schöner ist die Geschichte von hinten nach vorn gelesen. Die Robbenmutter und das Kind erkennen die große Not, flüchten und werden freundlich aufgenommen.
Der natürliche Lebensraum der Robben ist die See. Den erwachsenen Lesern drängen sich durch Bild und Text aber auch die Momente im Mittelmeer auf. So haben oft auch hier beide Seiten übereinander nachzudenken. Wir müssen nicht nur unsere Kinder und ihr Spielverhalten lenken, sondern auch überlegen, wie offen wir mit Problemen Fremder umgehen.
Last but not least eignet sich dieses Buch auch wunderbar für den Erstleseunterricht nach dem ersten Schulhalbjahr. Die einfachen und kurzen Sätze können von den Kindern schon meist selbst erlesen werden, so dass „(K)ein Platz für uns“ eine wunderbare Erstlese-Ganzschrift werden kann.
Fazit: 10 Daumen hoch für diese Geschichte mit ihren zwei Seiten.