Helmut Altner: Totentanz Berlin

Im Berlin Story Verlag wurde ein Buch wieder aufgelegt, das lange Zeit in Vergessenheit geraten war. Auf der Grundlage von Tagebuch-Notizen von Helmut Altner, die dieser 1946 nach Rückkehr aus der sowjetischen Gefangenschaft vervollständigte, entstand 1948 nach genauer Prüfung durch die US-Militärregierung das Buch „Totentanz Berlin“ in der Erstauflage. Erst 60 Jahre später wird nun eine weitere deutsche Auflage mit Überarbeitungen und detaillierten Ortidentifizierungen veröffentlicht.

Der Verfasser, der gerade 17jährig am 29. März 1945 zum Wehrdienst eingezogen wurde, um in den letzten Wochen des „Dritten Reiches“ an der Oderfront und in der Schlacht um Berlin zu kämpfen, hat mit seinen Notizen seine Sicht des Geschehens und seine Gefühle eindrucksvoll und authentisch aufgeschrieben und so für die Nachwelt erhalten. Er beschreibt fast sachlich das Leben als Soldat, das Sterben der Kameraden und das Wüten des Todes um ihn herum. Alles nur um des Endsieges Willen, für den Führer. Dieses „Schauspiel“ zerplatzt wie eine Seifenblase, als der Feind ein menschliches Gesicht bekommt: „Plötzlich bleibt der Russe stehen und wartet auf mich… Ich denke: ‚Das ist das Ende!’ … Langsam gehe ich auf ihn zu. Dann fasst er mich am Arm. Ich fürchte, er will mich wegziehen, irgendwohin, wo uns keiner sieht, um mit mir Schluß zu machen. Doch merke ich plötzlich, daß er mich stützt. … ‚Krieg Kaputt! Alles nach Hause!’ spricht er zu mir. Ich bin wie erstarrt. Die ungeheuere Spannung der letzten Tage fällt in sich zusammen. Ich kann plötzlich die Tränen nicht zurückhalten. Tränen der Erleichterung, daß der Gegner menschlich ist. Tränen der Schmach, daß ich etwas anderes glauben konnte.“

Die detailreichen Tagebuch-Notizen führen dem Leser die tagelangen Kämpfe und die Entbehrungen vor Augen und auch die Sinnlosigkeit des Kampfes, die Altner bis zum Schluss zwar begreift, aber gegen die er auf Grund der ihm anerzogenen Ideologie innerlich nicht ankommt – zu sehr sind in ihm der Heroismus und das Soldatentum verankert worden. Von den 150 eingezogenen Jugendlichen des Jahrgangs 1928 überlebten nur er und ein Kamerad die Schrecken der Kämpfe in den Straßen und U-Bahntunneln von Berlin. Sein Tagebuch diente ihm bei der Verarbeitung der schrecklichen Erlebnisse. Nach der sowjetischen Gefangenschaft verließ Helmut Altner Deutschland und zog nach Paris, wo er als Journalist arbeitete.

„Totentanz Berlin“ ist aufgrund seines Tagesbuch-Charakters mit Hintergrundinformationen und Erläuterungen sowohl für Historiker als auch für Tagebuch-Fans zu empfehlen.