Antje Wagner: Unland
Im Mittelpunkt von Antje Wagners Jugendthriller steht die 14-jährige, eher männlich wirkende Franka. Nach einem Unfall ihrer Pflegeeltern kommt sie in die Erziehungsstelle Haus Eulenruh. Dort leben bereits die „Zwerge“ Denise und Axel, die Jugendlichen Anna und Lizzy, Ricardo sowie der bereits erwachsene Matthias. Alle wurden in Obhut genommen, da sie bei ihren Eltern misshandelt wurden. Franka findet schnell zu den anderen. Schwieriger gestaltet sich der Kontakt in der Schule. Vorurteile und ihr männlich wirkendes Auftreten irritieren ihre Klassenkameraden und sie beginnen Franka zu mobben. Bei dem Versuch, sich dagegen zu wehren, unterstützen sie ihre Pflegegeschwister und die beherzte Klassenkameradin Valerie. Doch plötzlich kippt die Situation. Den Kindern aus Haus Eulenruh werden Straftaten unterstellt. Wer hat etwas gegen Sie, so dass er von solchen Verleumdungen nicht zurück schreckt? Und was hat das mit dem merkwürdigen, verfallenen Dorf „Unland“ auf sich, das sich in Sichtweite befindet, durch einen Elektrozaun gesichert ist und angeblich nicht betreten werden darf, obwohl doch Sielmann dorthin wöchentlich in der Nacht Lebensmittel liefert. Ein erster Hinweis scheint im Bauplan von Unland zu stecken, der in der Dorfbibliothek ausliegt, aber nicht genauer eingesehen werden darf und auf dem der mysteriöse Aufruf: Lasst die Schatten frei! steht.
Die Autorin Antje Wagner wurde bereits mit dem Mannheimer „Feuergriffel“ (2009) für Kinder- und Jugendliteratur ausgezeichnet. So liest sich für Jugendliche zunächst auch dieses Buch. Sie stellt eine sympathische Heldin mit Ecken und Kanten in den Mittelpunkt ihres Romans und baut langsam aber gezielt Spannung auf, die sie bewusst zum Höhepunkt führt. Sie kommt Krimifans ebenso entgegen wie Freunden fantastischer Literatur.
Psychologisch oder sozialpädagogisch erfahrene Leser werden aber immer wieder den Hintergrund der jugendlichen Haupthelden hinterfragen, auf den die Autorin viel Wert zu legen scheint. Leben sich die Jugendlichen tatsächlich so problemlos in die Pflegefamilie ein? Bieten sie tatsächlich Hilfe beim Aufforsten an? Ist es ihnen möglich, falsche Beschuldigungen auszuhalten und sich um Aufklärung zu bemühen?
Erst zum Ende des Buches wird klar, Antje Wagner möchte mit fantastischen Mitteln arbeiten und hat belastende Persönlichkeitsanteile darum abgespalten. In den meisten therapeutisch-erzieherischen Maßnahmen geht es aber darum, die negativen Erfahrungen zu integrieren und mit ihnen zu leben. Für diesen Anspruch bietet das spannende und einfühlsame „Unland“ leider keinen Ansatz.
„Unland“ von Antje Wagner ist für 16,90 Euro als Hardcover im Herbst 2009 bei Bloomsbury erschienen.