Jörg Hildebrandt: Regine Hildebrandt. Erinnern tut gut
Es kommt äußerst selten vor, dass man sich Politiker zurück wünscht, die die Bühne verlassen. Noch seltener kommt es vor, dass ein großer Teil des Volkes sich Politiker zurück wünscht. Mit der Person Regine Hildebrandts verhält es sich da anders. Bereits an ihrer Krebserkrankung nahmen Menschen in Ost und West Anteil. Ihr früher Tod mit 60 Jahren machte betroffen. Denn mit ihrem zutiefst menschlichen Verständnis und ihrem unermüdlichen Einsatz war sie für viele während und nach der Wende sowohl Identifikationsfigur, Hoffnungsträger als auch Vorbild. Immer wieder gab es Dokumentationen und Zusammenschnitte ihrer Auftritte im Fernsehen. Biografien liegen vor und nun lässt uns ihr Mann einen Blick werfen in das Familienalbum. Denn zum Glück fotografierte man bei den Hildebrandts leidenschaftlich. So sind tatsächlich unzählige Bilder aus Kindheit, Jugend und Arbeits- und Familienleben in der DDR erhalten. (Mit der rasanten Entwicklung von Fototechnik in den letzten Jahrzehnten selbstredend auch von ihrem politischen Wirken nach der Wende.) Außerdem hatte Regine Hildebrandt die Angewohnheit, in Kalendern und Tagebüchern ihre Unternehmungen, Eindrücke oder Meinungen zu notieren. Die Fotos, Notizen und kurze Überleitungstexte durch ihren Mann haben ein Fotoalbum der ganz persönlichen Art entstehen lassen: eines, das sowohl privat als auch politisch und zeitgeschichtlich ist. Er hat es unter die Worte seiner Frau gestellt, die sie 1994 aussprach: „Gemeinsames Erinnern tut gut, ich halte es für eine wichtige Form von Kommunikation. Begebenheiten, die im Gedächtnis nicht weiterleben, sind nur halb so viel wert. Außerdem verspricht es ja oft amüsant zu werden, wenn einer fragt: ‚Wisst ihr noch…?’“
Der – im wahrsten Sinne des Wortes – Rückblick auf Regine Hildebrandts Leben verspricht mehr als nur amüsant zu sein. Für viele wird er ein Rückblick auf das eigene Leben sein, für einige sogar ein ehrlicherer Rückblick als sie ihn selbst vermöchten. Auch die politischen Skandale um „verschlampte Fördergelder“ zum Ende der 90iger Jahre, die der Ministerin zu schaffen machte, werden nicht umgangen und lesen sich fast ein Jahrzehnt später ganz anders.
„Regine Hildebrandt – Erinnern tut gut“ ist im Frühjahr 2008 übrigens im Aufbau-Verlag erschienen und vielleicht könnte nicht zuletzt der Verkauf des Buches dazu beitragen, dass sich dieser traditionsreiche DDR-Verlag noch einmal zu erholen vermag.